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Sprachkultur im Obersorbischen
Die Sorben bei der Verwendung ihrer Sprache in schriftlicher Form beratend zu unterstützen, hat eine lange Tradition, die bis in das 19. Jahrhundert zurückreicht. Damals ging es um die Schaffung einer einheitlichen obersorbischen Standardsprache und die Überwindung von Unterschieden beim Sprachgebrauch in konfessionell gebundenen katholischen und evangelischen Schriften. Als praktische Unterstützung bei der Entscheidung für die eine oder andere Form unterhielt Michał Hórnik in den ersten Jahrgängen der Kulturzeitschrift „Łužičan“ (1860–1863) eine ständige Rubrik mit dem Titel „Rjedźer a porjedźer“ (deutsch: Reiniger und Bereiniger). Zu seinen Nachfolgern gehörte u. a. Michał Nawka mit seinem Büchlein „Pokiwy pyskej a pjeru“ (1936; deutsch: Hinweise für den Schnabel und die Feder). Anton Nawkas Ratgeber „Mjenje zmylkow. Rady a pokiwy za dobru serbšćinu“ (deutsch: Weniger Fehler. Ratschläge und Tipps für ein gutes Sorbisch) erlebte sogar zwei Auflagen (1972 und 1993). Auch in Zeitungen und Zeitschriften sowie im Rundfunk werden bis heute in regelmäßigen Rubriken Fragen der sprachlichen Korrektheit, der Sprachentwicklung oder ganz einfach sprachliche Besonderheiten behandelt.
Zu diesen Beiträgen gehört die reguläre „Sprachecke“ (Rěčny kućik) im Sorbischen Programm des MDR, die Anja Pohontsch, Jana Schulz und Sonja Wölke – Sprachwissenschaftlerinnen am Sorbischen Institut in Bautzen – seit 2002 unterhalten. Seit 2004 können ausgewählte Beiträge auf der Internetseite des MDR chronologisch nachgelesen werden. Um diese sprachkulturellen Beiträge dauerhaft zur Verfügung zu stellen, entstand vor einigen Jahren der Gedanke, sie in Buchform herauszugeben – nicht als Wörterbuch, Grammatik oder Lehrbuch, sondern als Sammlung populärer, dabei unterhaltsamer und zum Teil humorvoller Plaudereien über unsere Muttersprache, um damit zum Nachdenken über unsere Sprache und zum bewussten Umgang mit ihr einzuladen und anzuregen. So erschien 2009 im Domowina-Verlag das Buch „Z labyrinta serbšćiny. Bjesady wo rěči“ (deutsch: Aus dem Labyrinth des Sorbischen. Plaudereien über die Sprache). Inzwischen sind fast 10 Jahre vergangen, in denen zahlreiche neue Beiträge entstanden sind. Um auch in Zukunft allen Interessierten unsere sprachkulturellen Texte aus der Rundfunkrubrik regelmäßig zur Verfügung zu stellen, haben wir uns für eine Veröffentlichung im Internet entschieden. So ist vorgesehen, den Inhalt dieser Seite jährlich zu aktualisieren. Durch die Aufbereitung der Texte mit Metainformationen soll die Suche nach bestimmten Ausdrücken mit Hilfe von thematischen Gruppen, Stich- und Schlagwörtern ermöglicht bzw. erleichtert werden.
Neue Wörter im Sorbischen
Sorbisch wird in verschiedenen Varianten verwendet, die sich voneinander unterscheiden und an verschiedene Situationen und Kontexte gebunden sind. Zu Hause und mit guten Freunden nutzen wir eher die dialektale oder umgangssprachliche Form. Für öffentliche Situationen und den offiziellen Umgang steht uns die Schriftsprache (in mündlicher und schriftlicher Form) zur Verfügung. Ihre Domänen sind zum Beispiel die Schule und die Kirche, das gedruckte Wort und andere Medien. Im Vergleich zum Deutschen sind das nur wenige Situationen, in denen wir die sorbische Schriftsprache erleben. Dies ist auch die Ursache dafür, dass sich viele bei ihrer Verwendung unsicher sind, zumal die Kenntnis der schriftsprachlichen Norm nur lückenhaft ist. Häufig suchen wir nach Wörtern, weil wir nur selten die Gelegenheit haben, mit jemandem über Themen der modernen Welt auf Sorbisch zu kommunizieren. Das betrifft Bereiche wie Technik, Wissenschaft, das wirtschaftliche und gesellschaftliche Leben, Sport, moderne Unterhaltungsmedien usw. Hier haben wir in den vergangenen Jahrzehnten sehr große Veränderungen erlebt und sind mit einer Vielzahl neuer Begriffe konfrontiert, auf die wir meist zuerst im deutschsprachigen Kontext treffen. Wenn dafür sorbische Ausdrücke gebildet werden, haben diese aufgrund des im Vergleich mit dem Deutschen geringen Anteils des Sorbischen an unserer sprachlichen Umwelt schlechtere Chancen sich im Gedächtnis einzuprägen, da wir sie meist nur selten hören. So suchen wir immer wieder nach Entsprechungen für ein und dasselbe deutsche Wort, obwohl es sie schon längst gibt. Die Umgangssprache entlehnt sich in solchen Fällen einfach das deutsche Wort, was jedoch in der Schriftsprache nicht im gleichen Maße akzeptiert wird – als Lehnwörter treten hier fast nur Internationalismen auf.
Zum Inhalt der Beiträge
In unseren Beiträgen geben wir Antworten, wie das eine oder andere gut und verständlich Sorbisch ausgedrückt werden kann. Der aufmerksame Leser findet dabei nicht nur fertige Äquivalente für verschiedene deutsche Ausdrücke, sondern auch Hinweise, wie wir zu den vorgeschlagenen Lösungen kommen. Außerdem zeigen wir, welch eigenartige Ergebnisse mitunter durch wörtliche Übersetzung aus dem Deutschen entstehen können. In anderen Beiträgen möchten wir dem Leser in Vergessenheit geratene oder interessante Lexik ins Gedächtnis rufen, Gemeinsamkeiten und Unterschiede ähnlicher sorbischer Wörter erklären, auf regionale Unterschiede aufmerksam machen, die Herkunft von Wörtern erläutern oder Redewendungen vorstellen. Schließlich wenden wir uns häufig auftretenden grammatischen Fehlern und den entsprechenden richtigen Formen zu – hin und wieder ist dazu grammatische Terminologie notwendig, dennoch versuchen wir, unsere Texte allgemein verständlich zu formulieren.
Das Sorbische ist im großen Maße dem Einfluss des Deutschen als Kontaktsprache ausgesetzt, in der sich inzwischen so mancher junger Sorbe besser ausdrücken kann als in seiner Muttersprache. Wer glaubt, dass diese Situation ohne Einfluss auf das schriftsprachliche Sorbisch bleibt, irrt sich. Doch indem wir uns die Besonderheiten der sorbischen Sprache bewusst machen, indem wir ihre Regeln zum Wortschatzausbau verstehen, können wir verhindern, dass sie durch eine solche Entwicklung verarmt oder entstellt wird. Diesem Ziel dient die hier bereitgestellte Sammlung.